7月6日(土) 13:30-14:10 【一般研究発表Ⅰ】
Der Angstbegriff in der Philosophie der Mythologie Schellings
Ferdinando Wirtz (Tübingen)
Das Ziel dieses Vortrags besteht darin, den Angstbegriff in der Philophie
der Mythologie Schellings zu untersuchen. Obgleich das Wort ‚Angst‛ in
der Philosophie der Mythologie mehrmals vorkommt (vgl. SW XII, 298, 300,
616), wird normalerweise auf eine Stelle der Philosophischen Untersuchungen
über das Wesen der menschlichen Freiheit zurückgewiesen, um diesen Begriff
bei Schelling zu thematisieren. Fruchtbar wäre daher zu bestimmen, ob der
Angstbegriff in der Philosophie der Mythologie mit diesem früheren Versuch
in Einklang steht.
Ein erster Unterschied zwischen beiden Texten wird auffällig. In der
Freiheitsschrift geht es um eine ‚universalontologische‛ Behandlung der
Theodizee-Frage. Die Darstellung der Mythologie befindet sich dagegen in
der Mitte des Prozesses selbst. Dort geht es nicht um die philosophische
Argumentation hinsichtlich der Voraussetzungen eines von Gott unabhängigen
Prozesses. In der Philosophie der Mythologie geht es um den laufenden Prozess
selbst. So lässt sich die Darstellung der Philosophie der Mythologie als
eine ‚phänomenologische‛ Wiedererinnerung an die Vergangenheit des menschlichen
Bewusstseins verstehen. Diese Phänomenologie ist aber keine imaginäre Abfolge,
sondern ein wirkliches Geschehen.
Die Angst taucht in der Freiheitsschrift im Rahmen des Sündenfalls auf.
Dort beschreibt Schelling den Zustand des Urmenschen als „eine Zeit der
Unschuld oder der Bewußtlosigkeit über die Sünde“ (AA I, 17, 147/ SW VII,
378). Die Entscheidung, diesen Zustand zu unterbrechen und das Zentrum
der Schöpfung (also die Einheit mit der Gottheit) zu verlassen, kann nur
aus dem Menschen selbst heraus geschehen. Dazu schreibt Schelling, dass
diese vom Wille des Grundes verursachte Erregung als ein „Schwindel“ erfahren
wird, als eine Anziehungskraft, die aus der Tiefe wie eine „geheime Stimme“
oder ein „Sirenengesang“ vorkommt (AA I, 17, 149/ SW VII, 381). In diesem
Zusammenhang zeichnet sich der Angstbegriff ab.
Diese Stellen erlauben es mindestens, einen gewissen Verstehensrahmen
zu bilden, innerhalb dessen die mythologische Angst zu lesen ist. Während
das Wort ‚Angst‛ in der Freiheitsschrift in Bezug auf den prälapsarischen
Zustand des Urmenschen gebraucht wird, erscheint es in der Historisch-kritischen
Einleitung und in der Philosophie der Mythologie im Rahmen des mythologischen
Prozesses, d.h. im Rahmen der postlapsarischen Geschichte der Menschheit.
In der Historisch-kritischen Einleitung richtet sich die Angst auf den
Verlust der Einheit. Erst mit der Erscheinung der zweiten Potenz ‚merkt‛
der Mensch, dass die Einheit, in der er wohnt, nicht die Ureinheit oder
absolute Einheit an sich ist. Diese Zerstörung der Vorstellung der ursprünglichen
Einheit machte „einer verwirrenden Vielheit“ Platz (SW XI, 112). Vor der
Urtat war die Unentschiedenheit, nun ist die Vielheit die Ursache einer
Verwirrung. Auch hier aber ist der Angst eine ‚positive‛ Wirkung zuzuschreiben.
„Diese Angst, dieses Entsetzen vor dem Verlust alles Einheitsbewußtseyns
hielt die vereint Gebliebenen zusammen, und trieb sie an, wenigstens eine
partielle Einheit zu behaupten, um, wenn nicht als Menschheit, doch als
Volk zu bestehen“ (SW XI, 115)(※) . Gerade von dieser Perspektive her
und unter dieser Einschränkung scheint allerdings diese Fragestellung gerechtfertigt.
Der Angstbegriff scheint in diesem Sinn, keine Ausnahme im Werk Schellings,
sondern vielmehr eine zentrale Idee zu sein, die sein Denken nach 1809
weiter geprägt hat.
※„Also die Angst […] bewegt sich zur Unternehmung“ (SW XI, 116 f.).